Regenwurm
Lebewesen

Auch am Tag des Regenwurms frisst er sich unermüdlich durch den Boden

Jedes Jahr am 15. Februar bekommt ein sonst unscheinbarer Erdbewohner die ihm zustehende Prominenz: Der Tag des Regenwurms beleuchtet ein Tier, das unermüdlich unter unseren Füßen arbeitet. Denn Regenwürmer fressen sich durch die Erde, leben in engen Röhren und Gängen und tragen sehr viel zur Bodenqualität bei.

Wer davon nichts wissen will, der bekommt auch nichts davon mit. Denn man sieht sie als Erdbewohner in der Regel nicht. Es sei denn, wir nehmen einen Spaten in die Hand und graben den Boden um. Oder ein Vogel hat eines der Kriechtiere dabei erwischt, wie es mal an die Erdoberfläche kommt. Auch Regen lässt sie auftauchen, denn das Klopfen der Wassertropfen scheucht Regenwürmer an die Oberfläche, weil sie irrtümlich meinen, ein fresswütiger Maulwurf naht.

Charles Darwin war offenbar der erste, der den Wert des Regenwurms für die Bodenfruchtbarkeit erkannte. Der englische Naturforscher und Begründer der Evolutionstheorie untersuchte das unscheinbare Tier bei sich zu Hause in der Nähe von London. Im Jahr 1881 veröffentlichte er dann in der Schrift „Die Bildung der Ackererde durch die Tätigkeit der Würmer“ sein ganzes Wissen über das Tier. „Man kann wohl bezweifeln, ob es noch viele andere Tiere gibt, die eine so bedeutende Rolle in der Geschichte der Erde gespielt haben, wie diese niedrig organisierte Geschöpf“, wusste er schon damals.

Heute wissen wir einiges mehr. Auch wenn Nico Eisenhauer, Professor für Experimentelle Interaktionsökologie an der Universität Leipzig, sich dagegen wehrt, dass der Regenwurm ausgeforscht sein könnte: „Bisher sind nur etwa 25 Prozent aller geschätzten Regenwurmarten auf der Welt beschrieben, das heißt, wir kennen die meisten Regenwurmarten noch gar nicht“, sagt er im Interview mit wissenblog.de.

Die Wissenschaftlerin Ricarda Lehmitz, Leiterin der Sektion Oribatida am Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz, hat vor Jahren eine Inventur aller Regenwurmarten Deutschlands durchgeführt. Demnach gibt es 46 verschiedene Arten in Deutschland. „Die Daten stammen aus wissenschaftlichen Veröffentlichungen, Sammlungen, Diplom- und Doktorarbeiten, aber auch von Privatpersonen aus den letzten hundert Jahren“, erzählt Lehmitz.

Den „Badischen Riesenregenwurm“ gibt es nur in Deutschland

Unter den 46 Arten der gegliederten Würmer befindet sich eine echte endemische Art. Das ist Lumbricus badensis, der „Badische Riesenregenwurm“. „Ihn gibt es ausschließlich in Deutschland“, erklärt die Görlitzer Wissenschaftlerin den Begriff endemisch. Der bis zu sechzig Zentimeter lange Wurm hat sich im südlichen Schwarzwald eine ökologische Nische geschaffen: „Wir nehmen an, dass sich andere Regenwürmer in den relativ sauren Böden dort nicht wohl fühlen.“ Eine der häufigsten Arten ist aber Lumbricus terrestris, der Gemeine Regenwurm oder Tauwurm. Ihn findet man in allen Teilen Deutschlands.

Und noch ein weiteres spannendes Detail haben die Wissenschaftler herausgefunden: Die Artenvielfalt der Regenwürmer nimmt von Norden nach Süden zu. Dieser Trend entspricht auch der europäischen Verteilung von Regenwurmarten. Grund hierfür ist die letzte Kaltzeit, die vor etwa 115000 Jahren begann und vor 11700 Jahren endete. „Als die Gletscher sich zurückgezogen haben, konnten sich die Würmer vom Süden ausgehend wieder ausbreiten“, sagt Lehmitz.

Auffallend ist auch, dass es die meisten Regenwürmer in unseren Breiten und in den gemäßigten Breiten der Südhalbkugel gibt, nicht wie bei vielen anderen Pflanzen und Tieren, in den Tropen. Spitzenwerte mit Dichten von bis zu 150 Tieren pro Quadratmeter gibt es in Frankreich, Italien und Großbritannien, aber auch in Teilen Russlands und Chinas und in Neuseeland.

Kann der Regenwurm nach der Teilung weiterleben?

Aufmerksamkeit bekommen Regenwürmer auch, weil sie über ein beachtliches Regenerationsvermögen verfügen. Das Gerücht, wonach zwei lebende Würmer entstünden, wenn man einen Wurm in der Mitte durchtrennt, trifft zwar nicht zu. Aber: „Der Wurm kann weiterleben, auch wenn ihm ein großer Teil seines Körpers fehlt, er kann den fehlenden Teil regenerieren“, sagt Karin Voigtländer vom Senckenberg Museum Görlitz. Nicht ganz egal scheint es dabei jedoch zu sein, an welcher Stelle der Wurm zertrennt wurde, wie die Expertin erklärt.

Interessant ist auch, dass Regenwürmer als Zwitter sowohl weibliche als auch männliche Geschlechtsorgane besitzen und sich dennoch wechselseitig begatten. Die Geschlechtsreife, die mit ein bis zwei Jahren eintritt, zeigt sich durch die Ausbildung des sogenannten Gürtels, dem Clitellum, einer gelblichen sattelförmigen, drüsenreichen Verdickung vom 27. bis 35. Segment. Große Drüsen des Gürtels scheiden bei der Begattung ein Sekret aus, mit dem sich jeder Wurm an der Bauchseite des zehnten Segments des anderen Partners gegenläufig anheftet. Dann scheidet jeder Wurm aus den beiden Spermienleitern eine deutlich sichtbare Spermienportion aus, die er durch Hautbewegungen längs zweier Samenrinnen in Richtung seines Gürtels zu den dort befindlichen Samentaschen des Partners transportiert. Die dort gespeicherten fremden Spermien dienen ein paar Tage später zur Befruchtung der eigenen Eizellen.

Aufwändig, aber effizient, wenn man sich die Verbreitungszahlen in einem Quadratmeter Boden anschaut. So findet man in einem deutschen Wald auf dieser Fläche in der Regel bis zu dreißig Arten und fast achtzig Tiere. Unter einer Wiese sogar fast hundert Individuen, aber weniger Arten. Schlecht kommt ein Acker weg mit unter zehn Arten und nur halb soviel Tieren.

Aber wovon leben Regenwürmer, wenn sie doch im Boden leben?

Regenwürmer leben vor allem von abgestorbenem organischem Material. Entweder ist es purer Boden, der auch immer organische Masse enthält, oder Pflanzenteile, etwa vom Fallaub. Manche nutzen auch Kot als Nahrung. Laub frisst zum Beispiel der Rote Waldregenwurm (Lumbricus rubellus). Dendrobaena-Arten können zerfallendes Holz aufnehmen und der Kompostwurm (Eisenia fetida) kann auch Pferde- oder Rindermist aufnehmen.

Viele Regenwürmer fressen sich förmlich durch den Boden und nehmen pro Tag eine Substratmenge von etwa ihrem halben Körpergewicht auf. Da das meiste unverdaulich ist, produziert der Wurm viel nährstoffreichen Kot. Dafür wird die pflanzliche Nahrung durch mitaufgenommene Sandkörner gleichmäßig zerrieben. Gleichzeitig neutralisieren die Würmer durch kalziumhaltige Abscheidungen im Magen alle aufgenommenen säurehaltigen Bodeninhaltsstoffe und sorgen so für eine Bodenverbesserung. Ergebnis sind Ton-Humus-Komplexe, die wir oft auch als kleine, dunkle Haufen auf dem Rasen sehen können. Pro Hektar und Jahr können das abhängig vom Standort in Mitteleuropa zwischen fünf und achtzig Tonnen sein.

Wichtig: Pflanzen können die Nährstoffe aus dem Kot direkt aufnehmen.

Aber nicht nur die Kotproduktion fördert die Bodenfruchtbarkeit. Mit seiner ständigen Wühltätigkeit schafft der Regenwurm auch ein umfangreiches Röhrensystem im Boden, das die Durchlüftung und den Wasserfluss fördert. Pflanzenwurzeln nutzen solche Röhren gern, um sich auszubreiten. Auch das ist ein Argument, warum nicht nur Landwirte auf den Regenwurm setzen, sondern auch Gärtnernde jedes Exemplar, das ihnen über den Weg läuft, schonend Richtung Beet befördern sollten.

Zumal jedes Exemplar auch den Klimawandel stoppen hilft: „Durch das Vergraben und die Zerkleinerung von Pflanzenmaterial tragen Regenwürmer bedeutend zur Kohlenstoffspeicherung im Boden bei“, sagt Regenwurm Experte Nico Eisenhauer: „Ein gesunder, artenreicher Boden kann dann mehr Kohlenstoff im Boden binden, der nicht in der Atmosphäre herum schwirrt und unser Klima aufheizt.“

Bei Kindern früh ein Bewusstsein für den Regenwurm schaffen

Eben weil der Regenwurm fast nur im Boden lebt, ist ein jährlicher Tag des Regenwurms wichtig. Aber zugleich sollten wir Kindern spielerisch ein Bewusstsein für die wichtige Rolle des Regenwurms vermitteln. Das Umweltbundesamt hat deshalb die Kinder-Broschüre „Die abenteuerliche Reise von Fridolin dem Regenwurm“ herausgegeben, in der die Bodengefahren aus Sicht eines Regenwurms geschildert werden.

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