Tonboden
Boden

Was macht den Tonboden so dermaßen sexy?

Mancher mag sich fragen, was das für ein Sekte war, die gestern in Berlin den Tonboden zum Boden des Jahres 2022 gekürt hat?! Keine Sorge, ganz normale Menschen aus Wissenschaft, Verbänden und Politik. Menschen, die jedes Jahr einen Bodentyp auswählen, um ihm die notwendige Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zu verschaffen. Letztes Jahr wurde der Lössboden ausgewählt, und dieses Mal ist es eben der Tonboden, im Fachchinesisch „Pelosol“ genannt.

Das Foto in diesem Beitrag ist eher symbolisch. Fast jeder hat schon mal mit Ton gewerkelt, Plastiken geformt. Daher erkennt auch jeder sofort, dass im Bild vermutlich Ton zu sehen ist, der unter Hitze verkrustet und aufgesprungen ist. Mit diesem Vergleich fällt es leicht, sich das schmierige Gefühl vorzustellen, das so ein Toboden hinterlässt, wenn man ihn aufgräbt und in die Hand nimmt. Ein richtiges Bild von einem Tonboden-Profil ist hier zu sehen.

Aber wieso Bodentyp? Ganz einfach: Wenn wir von einem natürlich entstandenen Boden sprechen, ist der nicht überall gleich. Es gibt zahlreiche Bodentypen, und die unterscheiden sich im Aussehen, in der Zusammensetzung und in der Fruchtbarkeit, also dem Gehalt an Nährstoffen. Das ist so, weil an jedem Bodenstandort unterschiedliche Faktoren wie Vegetation, Niederschlag, Hitze, Kälte und Gestein im Untergrund aufeinander einwirken. So ist jeder Boden irgendwie anders, weil immer andere physikalische und chemische Prozesse stattfinden.

Der Tonboden kann gut quellen und schrumpfen

Um aber Böden besser beurteilen zu können, hat die Wissenschaft ähnlich „gewachsene“ Böden zu Typen zusammengefasst. Einer davon ist der Pelosol oder Tonboden. Seine Heimat ist vor allem der Südwesten Deutschlands. Er ist dort über Jahrhunderte auf Ausgangsgesteinen entstanden, die vor allem feinen Ton, aber auch Anteile an Sand und Lehm enthalten. Geologen sprechen von Tongesteinen und Tonmergelgesteinen, die aus Ablagerungen im so genannten Erdmittelalter entstanden sind, das vor etwa 250 Millionen Jahren begann.

Was macht den Tonboden so besonders? Durch den hohen Tongehalt kann der Boden quellen und schrumpfen, er hält das Bodenwasser fest und kann viele Nährstoffe speichern. In feuchtem Zustand quillt er auf, ist plastisch und gut knetbar. In trockenem Zustand schrumpft er und bildet tiefreichende Schrumpfrisse. Dabei entstehen kantige Bodenaggregate, die etwa gleich lang und breit sind, so genanngte Polyeder. Häufig entstehen auch Bodenaggregate, die zur Tiefe hin ausgerichtet sind und mehrfach länger als breit sind, die Prismen.

Minimale Bodenbearbeitung bekommt dem Pelosol besser als tiefes Pflügen

Entscheidend ist aber, dass die Tonsubstanz Wasser und Nährstoffe gut speichert, weil die feinen Partikel viel Oberfläche bieten. Für den Luft- und Wasserhaushalt bietet der Pelosol ein verzweigtes Hohlraumsystem an, das bis zu 60 Prozent seines Gesamtvolumens betragen kann. Problem: In der Hälfte seiner Poren hält der Boden das Wasser so fest, dass Pflanzenwurzeln die Feuchtigkeit nicht absaugen können.

Die Landwirtschaft ist nicht unbedingt ein Freund des Tonbodens. Schnell wird er zu feucht und ist auch schwer zu bearbeiten. In trockenem Zustand ist er steinhart und zerfällt in grobe Schollen, die mühevoll weiter zerkleinert werden müssen. In feuchtem Zustand ist er zu weich, zerfließt und wird breiig.

Zwischen zu feucht und zu trocken gibt aber es eine kurze Zeitphase in der er gut gepflügt, geeggt und gemulcht werden kann. Dies ist vorzugsweise Anfang Herbst. Dabei müssen Bauern auf den Bodenschutz achten. Eine flache, minimale Bodenbearbeitung bekommt dem Tonboden besser als tiefes Pflügen, so werden für die Struktur wichtige Krümel, Polyeder und Prismen geschont.

Bewusstseinsbildung für Böden und ihre Funktionen im Naturhaushalt

Ach, und noch ein Wort zu den Menschen, die jedes Jahr einen neuen Bodentyp auf den Laufsteg schicken. Das Kuratorium für den Boden des Jahres ist ein Gremium der Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft, des Bundesverbandes Boden und des Ingenieurtechnischen Verbandes für Altlastenmanagement und Flächenrecycling. Es wird gefördert vom Umweltbundesamt und ist beauftragt, die Aktion zu steuern und zu begleiten.

Ziel der Aktion ist es, zur Bewusstseinsbildung für Böden und ihre Funktionen im Naturhaushalt beizutragen und möglichst viele Menschen zu erreichen. Die Verantwortung für den Schutz der lebenswichtigen Ressource Boden und ihrer Funktionen soll so verbessert werden. Das Kuratorium organisiert die Präsentation des ausgewählten Bodens jeweils zum Weltbodentag am 5. Dezember in Berlin. Der Boden des Jahres wird mithilfe von Postern, Flyern, dieser Internetseite und durch zahlreiche Veranstaltungen in Deutschland der Öffentlichkeit vorgestellt.

Foto: FabdeAmbres auf Pixabay

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