Pestizide im Ackerboden dauerhaft präsent
Chemisch-synthetische Pestizide werden in der konventionellen Landwirtschaft in verschiedenen Kulturen wie im Ackerbau, Gemüseanbau oder Weinbau eingesetzt. Die Rheinland-Pfälzisch Technische Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) hat jetzt erstmals die Pestizidbelastung im Ackerboden im Jahresverlauf untersucht. Laut der Studie sind Stoffe nicht nur während der Spritzphasen in Feldern nachweisbar sind, sondern ganzjährig und auch auf angrenzenden Wiesen. Die Auswirkungen dieser chronisch nachgewiesenen komplexen Pestizidmischungen auf die Umwelt sind bislang nicht ausreichend untersucht und könnten erheblich sein, heißt es.
In Deutschland werden auf mehr als 30 Prozent der Landesfläche Kulturpflanzen angebaut. Seit den 1970er Jahren werden in der industriellen Produktion von pflanzlichen Lebensmitteln im konventionellen Anbau flächendeckend chemisch-synthetische Pestizide zur Schädlings- und Unkrautbekämpfung und Vorbeugung gegen Pilzkrankheiten eingesetzt. Diese werden mittels Sprühtechnik großflächig ausgebracht – mehrfach pro Jahr und in Kombination verschiedener Wirkstoffe.
Keine Daten zur Belastung im Ackerboden
Bis heute gibt es allerdings keinen Datensatz zur Belastung im Ackerboden. Die Studie, die durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesumweltministeriums gefördert wurde, nahm die Anwesenheit von Pestizidwirkstoffen über ein ganzes Jahr auf. Das RPTU-Forschungsteam hat in je drei Feldern im Acker-, Gemüse- und Weinbau und den angrenzenden Wiesen in Rheinland-Pfalz Oberboden- und Vegetationsproben im Abstand von einem, fünf und zwanzig Metern Entfernung zum Feld entnommen. Sie wurden auf 93 gängige Pestizide untersucht.
Die Ergebnisse zeigen: Pestizide sind das ganze Jahr über in Böden und Vegetation in niedrigen Konzentrationen präsent. In den Böden fanden sich im Durchschnitt zehn Pestizide. In einer Probe hat das Forschungsteam 28 Stoffe gemessen. In der Vegetation konnten die Forschenden ebenfalls Pestizidmischungen nachweisen, hier jedoch mit jahreszeitlichen Schwankungen. Der Durchschnitt lag bei sieben Pestiziden in der Vegetation, die Maximalwerte in einzelnen Proben betrugen 25 Stoffe.
„Wir konnten zeigen, dass komplexe Mischungen von Pestiziden in niedrigen Konzentrationen das ganze Jahr über präsent sind“, betont Umweltwissenschaftlerin Carolina Honert von der RPTU: „Welche Auswirkungen diese chronische Belastung von Mischungen auf die Umwelt hat, ist weitgehend unerforscht.“
Chemisch-synthetische Pestizide sind so konzipiert, dass sie gezielt wirken sollen. „Dennoch greifen viele dieser Stoffe grundlegende biologische Prozesse wie die Nervenleitung, Zellteilung oder die Synthese von Proteinen an, wodurch sie wenig spezifisch sind und auch viele so genannte Nicht-Zielarten wie Schmetterlinge oder Regenwürmer schädigen“, erklärt Carsten Brühl, Ökotoxikologe an der RPTU.
Diese unspezifische Wirkweise ist der Grund für die bestehende Risikobewertung für die Zulassung von Pestiziden. Allerdings werden im europäischen Zulassungsverfahren die Stoffe einzeln betrachtet und keine Mischungen bewertet. Aus Sicht der Forschenden unzureichend, denn Studien belegen den Zusammenhang zwischen Pestiziden und dem Rückgang der Artenvielfalt. Insbesondere beim Insektenrückgang in der Kulturlandschaft spielen sie eine herausragende Rolle.
Fruchtbarkeit des Ackerbodens beeinträchtigt
„Dass es nach mehr als 50 Jahren Einsatz von Pestiziden keine Daten zur Belastung im Ackerboden gibt, erscheint um so erstaunlicher, da Pestizide Bodenlebewesen wie Regenwürmer oder Springschwänze aber auch Mikroorgansimen und damit auch die Bodenfruchtbarkeit, die es ja für nachfolgende Generationen zu erhalten gilt, nachweislich negativ beeinflussen“, so Brühl.
Organismen wie Insekten leben das ganze Jahr über in und außerhalb der Felder, als Ei im Boden, als Larve oder Raupe in der Vegetation und als ausgewachsenes Insekt dann in beiden Habitaten. „Daher ist es wichtig zu wissen, inwieweit die Böden und Pflanzen im Laufe des Jahres mit Pestiziden belastet sind“, so Brühl weiter. Und nicht nur der Ackerboden ist betroffen. Auch in den umgebenden Wiesen sind im Boden und in den Pflanzen Pestizide nachweisbar, da sie mit dem Wind verdriftet werden.
In der aktuellen EU-weiten Praxis der Zulassung werden Einzelstoffe geprüft, aber nicht die Wirkung der in der Umwelt tatsächlich vorkommenden Mischungen, die im Ackerboden bis zu 28 verschiedene Pestizide umfassen können. In der aktuellen Studie wurden auch Pestizide nachgewiesen, die nicht im Untersuchungsjahr ausgebracht wurden. Das deutet laut der Forschenden auf längere Abbauraten in der Umwelt hin, als durch die Risikobewertung im Rahmen der Zulassung angenommen. „Wir müssen annehmen, dass Landschaften mit Agraranteil chronisch mit Pestiziden belastet sind“, so Brühl.